Ich wollte immer etwas Eigenes entwickeln

Bettina Gruber Gründerin von KinderKnigge war bei mir zum Interview, um mir ihre Geschichte zu erzählen

Marlies Pree-Moharitsch: Bettina, wir kennen einander seit unserer Kindheit und du hast einige spannende berufliche Stationen im Marketing hinter dir. Heute bist du selbstständig.

Meine erste Frage daher an dich: Was war der Auslöser bzw Motivator für deine Entscheidung in die Selbstständigkeit zu gehen?

Bettina Gruber: Meine Motivation, den Schritt anzudenken, war schon seit langem da. Ich wollte immer etwas Eigenes entwickeln. Es ging mir nie darum, mein eigener Boss zu sein, sondern etwas ganz Eigenes zu schaffen, etwas das gebraucht wird, was es aber aktuell am Markt derzeit noch nicht gibt.

Später kam noch meine märchenhafte Vorstellung dazu, dass es etwas sein sollte, an dem meine Kinder vielleicht gerne und mit Stolz weiterarbeiten.

Ich hatte bereits viel Erfahrung im Marketing in Angestelltenpositionen gesammelt. Ich habe mich nie darauf versteift, im Marketing zu bleiben.

Vor 2,5 Jahren hatte ich dann meine heutige Idee, Trainings für Kinder anzubieten, wo es darum geht, wie wir miteinander umgehen. Zu diesem Zeitpunkt habe ich den Bedarf erkannt, nicht zuletzt auch deshalb, weil ich solche Trainings auch selbst als Mutter von zwei Kindern gerne in Anspruch genommen hätte.

Meiner Beobachtung nach geht es vielen Frauen in der selben Lebensphase – rund um die 40 und Mutter – zunehmend wie mir. Sie hegen den Wunsch nach Selbstständigkeit und beschäftigen sich mit Ideen bzw. Geschäftsmodellen aus der Familie heraus. Wir sehen, wo Bedarf herrscht und wo es einen Mangel gibt. Man ist als Mutter eben gerade in dieser Lebensphase. So war das eben damals vor 2,5 Jahren auch bei mir. Neben meiner Vollzeitstelle und neben dem Familienmanagement habe ich angefangen, meine Idee weiterzuentwickeln.

In dieser Zeit kam dann noch ein zweiter Faktor von außen dazu. Große Veränderungen bei meinem damaligen Arbeitgeber haben mir die Entscheidung erleichtert. Es gab diverse Personalmaßnahmen, die mich zwar nicht unmittelbar betroffen haben, trotzdem war für mich ab diesem Zeitpunkt klar, dass ich so nicht weiterarbeiten werde und nun den Schritt in die Selbstständigkeit wage.

Marlies Pree-Moharitsch: Was würdest du Menschen raten, die überlegen sich selbstständig zu machen?

Bettina Gruber: Meiner Ansicht nach ist es überaus wichtig, sich vorab mit dem eigentlichen Beweggrund für den Wechsel in die Selbstständigkeit zu beschäftigen. Wenn jemand die Selbstständigkeit aus dem Motiv der Bequemlichkeit, sein eigener Boss zu sein, wählt, ist das sicherlich nicht der richtige Zugang. Dann ist es meiner Ansicht nach falsch, sich selbstständig zu machen.

Mein letzter Chef hat oft zu mir gesagt, du musst dich selbstständig machen – du bist genau der richtige Typ dafür. Wenn dein eigener Vorgesetzter das zu dir sagt bzw. erkennt … das hat mich umso mehr bestärkt.

Marlies Pree-Moharitsch: Was braucht man für Eigenschaften für diesen Schritt?

Bettina Gruber: Ich bin kreativ, kann durchbeißen und habe eine hohe Eigenmotivation. Genau jene Eigenschaft ist für mich auch das Schlüsselwort, das Um & Auf – sowohl für die Unselbstständigkeit als auch für die Selbstständigkeit.

Denn wenn es um das Thema Motivation geht, dann sollte man zuerst bei sich selbst anfangen zu suchen.

Marlies Pree-Moharitsch: Was sind heute deine Kerntätigkeiten und was davon machst du am liebsten?

Bettina Gruber: Ich organisiere gerne, erstelle Listen, ziehe Fäden, koordiniere und korrigiere. Lästig ist mir das Erstellen von langen Texten. Das ist oftmals notwendig, raubt mir aber leider sehr viel meiner Zeit und ist selten kompatibel mit meinem agilen Arbeitsstil. Ich arbeite gerne im Kreis – fange etwas an, arbeite an etwas anderem weiter und somit oftmals an vielen Dingen gleichzeitig.

Ich arbeite gerne im Team. Das gemeinsame Erörtern und Gestalten im Rahmen von konstruktiven Meetings macht mir Spaß. Ich war ja operativ lange Zeit ganz alleine tätig. Bei Buchhaltung hält sich der Spaß übrigens auch in Grenzen.

Marlies Pree-Moharitsch: Was treibt dich an? Wofür tust du, was du tust?

Bettina Gruber: Ich würde gerne mit KinderKnigge in der Gesellschaft meinen Fußabdruck hinterlassen – im Sinne von: Es ist relevant, wie wir miteinander umgehen. Die Form, wie wir uns füreinander Zeit nehmen. Meine Wahrnehmung ist, dass unsere gegenseitige Wertschätzung leider sehr stark verloren geht. Das sieht man auch im Verhalten unserer Kinder. Diese Entwicklung sollten wir nicht gehen.

Achtsamer Umgang zeigt sich in vielen Ausprägungen, Situationen und Facetten. Große Verhaltensspielregeln und viele Kleinigkeiten machen dies aus. Mir geht es zum Beispiel auch darum, dass Kinder die einfachsten Tischregeln kennen, dass sie erfahren, was ein „in die Augen schauen“ beim Begrüßen ausmacht und Interesse an anderen Kulturen entwickeln und Respekt dafür zeigen. Ach ja, und all diese Themen sollen Spaß machen und nicht als lästig empfunden werden, wenn die Eltern diese „schon wieder“ vorbeten.

Meine Vision ist zum Beispiel, dass bei Tisch zu Hause seitens Eltern statt eines der üblichen „Ich habe dir doch gesagt …“ ein fröhliches “Was würde der Kniggs jetzt dazu sagen?“ platziert wird.

Mir gefiele jedenfalls die Vorstellung, dass ein Erwachsener ein Kind mit den Worten belohnt: „ Wow, du musst in der Kniggs-Schule gewesen sein.“

Das Thema Umgangsformen macht den Kindern oftmals keinen Spaß. Sie sollen deshalb spielerisch erleben, dass man besser ankommt, wenn man miteinander wertschätzend umgeht.

Auch meine eigenen Kinder verhalten sich nicht immer „Kniggs-gerecht“. Und sie haben es da auch sicherlich nicht leicht bei uns. Wenn sie sich zB altersentsprechend am Handy nur über Dutzende Smileys unterhalten und für Hallo und Tschüss keine mehr Zeit nehmen. Aber was sie gelernt haben, ist, dass es einen Unterschied macht, ob man darauf Wert legt. Und darum geht es ja. Dass man den Blick auf diese Dinge lenkt und ein Verständnis dafür entwickelt.

Marlies Pree-Moharitsch: Wenn wir auf deine bisherigen beruflichen Stationen zurückblicken, wo warst du am glücklichsten und warum?

Bettina Gruber: Mein erster Job war in vieler Hinsicht superspannend. Es war eine herausfordernde Tätigkeit und eine charismatische Chefin, die mich sehr gefordert und gefördert hat. Ich habe viele Bereiche kennengelernt, war international tätig. Es hat mir rundum Spaß gemacht. Ich war sorglos damals, es war mein erster Job nach der Schule. Ich wollte rasch weiterkommen und das ist mir gut gelungen. Dann hat meine Chefin ein Jobangebot bei einem Radiosender bekommen und sie hat mich hierfür abgeworben. Wir haben also damals beide gekündigt. Leider wurden dann die Radiolizenzen nicht vergeben und wir konnten nicht starten. Mein nächster Job war nur eine interimistische Station; ich war damals Karenzvertretung. Ich habe dann die Entscheidung getroffen, ins Ausland zu gehen – auf ein Kreuzschiff. Hier erlebte ich die totale Einsamkeit, 18 Stunden Arbeitstage, 7 Tage die Woche, ein halbes Jahr lang. Das war der Tiefpunkt meines beruflichen Glücks.

Dann startete ich bei einem namhaften Lebensmitteleinzelhändler. Dort ging es wieder mit meinem Arbeitsglück bergauf. Es erwartete mich ein großer Aufgabenbereich. Die Führungskräfte und die sozialen Rahmenbedingungen waren zwar schwierig, aber die Möglichkeiten zur Entwicklung waren überaus spannend und vielseitig. Während dieser Zeit bekam ich dann meine beiden Kinder. Ich blieb drei Jahre zu Hause, machte nebenbei eine Ausbildung und wollte schnell wieder in den Arbeitsprozess zurück. Flankierende Aus- und Weiterbildungen haben mich übrigens immer glücklich gemacht.

Mein letzter Job als Teamleitung für den Bereich Zielgruppenmarketing war auch eine interessante Station in meinem Berufsleben. Es war ein herausfordernder Job, aber die Vereinbarkeit mit meinen Kindern war gegeben. Das war mir stets wichtig.

Wenn ich mir also meine Glücksmomente im Job so anschaue, ist es bei mir als Marketingfrau das Produkt, das letztlich das gewisse Etwas ausmacht und Arbeitsglück mit sich bringt. Ich muss mich mit dem Produkt identifizieren können. Ich könnte keine technischen Geräte oder Pflanzen verkaufen.

Marlies Pree-Moharitsch: Welche drei Tipps hast du für Firmen, wenn es um das Glück und die Zufriedenheit der Mitarbeiter geht?

Bettina Gruber: Ich kann nur empfehlen, die soziale Kompetenz von Führungskräften gut zu prüfen und zu einem wichtigen Entscheidungskriterium bereits bei der Stellenbesetzung zu machen.

Ich würde meine Mitarbeiter regelmäßig anonym befragen, was die drei Dinge sind, die sie sich vom Unternehmen wünschen und auch darauf achten, dass Themen, die daraus entstehen, auch wahrgenommen und umgesetzt werden.

Ich würde jeden Mitarbeiter dazu anhalten, dass er zumindest einmal pro Jahr eine Fortbildung macht. Ausbildungen sind horizonterweiternd und stark gewinnbringend, da man sich dabei wertvollen Input – fachlich als auch persönlich – von außen holt. Man versinkt sonst ganz schnell in seiner Arbeitswelt. Netzwerkveranstaltungen zählen für mich hier auch dazu.

Und als letzten Punkt ist mir auch wichtig, dass sich Mitarbeiter wohlfühlen, dass sie ihren Arbeitsbereich selbst gestalten können, wie sie das möchten. Für mich wäre auch ein Fitnessangebot motivierend gewesen. Gerne hätte ich den Tag mit Sport gestartet.

Marlies Pree-Moharitsch: Was würdest du mit dem Wissen von heute vielleicht anders machen?

Bettina Gruber: Nach der Schule hätte ich zuerst ein paar Jahre gearbeitet, um einen Einblick zu bekommen und dann studiert.  Und zwar in einem Bereich, der mich wirklich brennend interessiert.

Und ich würde mir generell das Gehaltsniveau in einem Bereich bzw. der Branche anschauen. Es ist frustrierend, dass für ein und denselben Job das Gehalt so unterschiedlich ist. Für mich hätte das also heute mehr Relevanz. Ich würde beim Karriereeinstieg auf die internationalen Möglichkeiten achten und mich für ein internationales Traineeprogramm bewerben.

Marlies Pree-Moharitsch: Auf einer Skala von 1-10, wie glücklich bist du heute in deinem Job?

Bettina Gruber: Ich bin fast auf 10. Das größte Glückslevel wäre für mich, wenn mein Unternehmen österreichweit auf so sicheren Beinen stünde, dass ich mich nur mehr mit der Expansion in andere Länder beschäftigen kann, die Idee also auch auf anderen Märkten zur Marktreife zu führen. Und damit auch meinen Mitarbeitern auf lange Sicht einen interessanten und sicheren Job bieten kann.

Marlies Pree-Moharitsch: Was ist für dich ein gelungenes Arbeitsleben?

Bettina Gruber: Ein Lebensabend, der mir einen erfüllten Alltag ermöglicht. Dass ich wirtschaftlich abgesichert bin und das Leben genießen kann. Sind monetäre Aspekte in diesem Zusammenhang unromantisch?

Auf zwei Faktoren möchte ich stolz sein:

  1. Einen Fußabdruck zu hinterlassen und Nachhaltigkeit erzeugt zu haben
  2. Ich möchte, dass meine Ideen vielfach Anwendung gefunden haben und vielen etwas Gutes gebracht haben

Marlies Pree-Moharitsch: Bettina, ich bedanke mich für das nette Gespräch mit dir.

Ein gelungenes Arbeitsleben ist sehr individuell. Ich bin schon gespannt auf meinen nächsten Gesprächspartner und darauf, was denn diese Person braucht, um motiviert, zufrieden und glücklich im Job zu sein.

Sie sind gerade dabei Ihr Arbeitsleben neu zu gestalten? Sie haben den Traumjob bereits gefunden? Sie sind ganz unkonventionelle berufliche Wege gegangen? Kommen wir ins Gespräch und erzählen Sie mir doch Ihre Geschichte. Ich freue mich auf Sie!

Herzlichst,
Marlies Pree-Moharitsch

pree-moharitsch.com